Montag, 12. Januar 2009

Helene Karmasin: Die geheime Botschaft unserer Speisen – was Essen über uns aussagt

Essen als Sprache, in der wir uns über zentrale Werte unserer Gesellschaft verständigen.
Wir setzen sie ein Wir setzen sie ein um Beziehungen anzuknüpfen oder zu stabilisieren, um Respekt und Liebe zu bezeugen, um das Festliche vom Profanen abzusetzten, um uns zu trösten und aufzubauen, um auszudrücken wer wir sind und wer wir ganz bestimmt nicht sind um Menschen in unsere Gemeinschaft miteinzubeziehen oder sie auszugrenzen.…

die Küche als Kommunikationssystem
Es geht darum eine Mahlzeit zu gestalten, dh. nicht nur zu kochen, sondern eine Tischgemeinschaft zu etablieren. es geht um Prestige, Lob, um Beeindruckung, um die Erfüllung weiblicher Pflichten, um die Rollen von Gast & Gastgeber, um die Gestaltung der richtigen Botschaft die man durch das Essen vermittelt.

Wir wählen und kombinieren Nahrungsmittel so, daß sie Botschaften und Bedeutungen vermitteln können. Wir setzen die Küche in der Art einer Sprache ein, als ein Kommunikations und Zeichensystem. Systeme dieser Art sind deshalb faszinierend, weil sie mit großer Sicherheit Bedeutungen transportieren, aus denen sich wiederum soziale Konsequenzen ergeben. In ihnen wird unmittelbar deutlich wie Kultur funktioniert.

Werbung: Konsum im 20. Jhdt. als kulturelles Projekt. Konsumgüter dienen neben der Nutzbarkeit dazu Identität zu geben, unsere soziale und weltanschauliche Position zu unterstreichen, Anerkennung zu finden, Unterschiede zu dokumentieren, kulturelle Ideale sichtbar zu machen. Sie stellen Zeichen und Botschaften dar, die die Werbung verstärkt und dadurch sichtbar macht.

Bsp. Iglo-Kampagne:
Neben Attraktivierung des Nahrungsmittels, das anhand von Bildsprache, Zeichen und Symbolen, Bedeutungen und Werte, die unserem kulinarischen System zugeschrieben werden, müssen Defizite beseitigt werden, die z.B industriell hergestellte Produkte haben können: nicht liebevoll genug, nicht natürlich genug … (Iglo-Zwerge)


IGLO ZWERGE



Geschlechterkonstruktionen:
Funktionenverteilung, Aufgabe der Frau, für die Bedürfnisse des Haushalts zu sorgen und Nahrung für den privaten Bereich herzustellen; Mann zuständig für die Bewirtung von Gästen, außerhalb des Hauses, die den Haushalt in seiner sozialen Position absichert.

Einteilung von Nahrung in männlich und weiblich:
Männlich: Fleisch, hart, beissen, aktive Nahrungsaufnahme, Hauptspeise
Weiblich: Gemüse, weich, Farbe, Gesundheit, friedliche und pflanzenhafte Natur, Süßes, Nachspeisen, schlappern, passive, narzisstische Nahrungsaufnahme, Nahrungsaufnahme ohne Zähne –Verbindung mit Tost, Liebe, Verwöhnen, Nachspeise

Produktdesign:
Produkte die dem Bedürfnis gerecht werden > Waffeln, kleine Kekse, weicher Kern, umgeben von leicht knuspriger Hülle, kleine Stückechen, sodass man das Gefühl hat, sich selbst zu füttern > man ist nicht ganz passiv dem Genuß hingegeben, aber auch nicht voll aktiv seiner Umwelt zugewandt.
Im Gegensatz dazu: Riegel als männliche Produkte: beissen, kauen, Kraft und Sättigung, in der Werbung werden vornehmlich Männer gezeigt.

Zucker als deutlichster Gegensatz zu Fleisch:
Kleine Kunstwerke in Form von Torten und Süßwaren, Pralinen (einzeln verpackt wie kleine Geschenke), man verwöhnt sich damit, tröstet, belohnt Kinder etc.
> es geht also nicht um das Stillen von Hunger, sondern um das Markieren und Präsentieren innerer Zustände.

>> Beilagen zu Fleisch perfekte Harmonie von zwei sozialen und biologischen Einheiten: 
Mann & Frau.

Gewürze:
gewürzten Speisen wird eine aufreizende, stimulierende Wirkung zugeschrieben. Scharfgewürzt: hot, wobei hot auch für ein feuriges Temperament und erotische Aufgeschlossenheit steht. Pfefferoni, Chili & Paprika, die Leidenschaft und Feuer schon durch ihre rote Farbe signalisieren. (ungarische Frauen gelten in der Oper & Operette als besonders leidenschaftlich, Ungarn schwingt als Stereotyp des fremden Volkes mit, das frei von bürgerichen Zwängen lebt und eine lockere, aber auch gefahrbringende Sexualität entwickelt > Carmen)

Die Kochbücher des 19. Jhdts. empfahlen die Speisen für Dienstboten auf keinen Fall zu scharf zu würzen, da sonst ihr sexueller Apetit angeregt wurde. Ähnliches wurde für Damen empfohlen.

Warme & kalte Speisen:
Gegensatz der Temperatur analog zu anderen Gegensätzen: vertraut und fremd, Liebe und Distanz, hochrangig und alltäglich
ernährungspsychologisch läßt es sich kaum rechtfertigen, täglich eine warme Mahlzeit zu sich nehmen zu müssen.

Eine wichtige Person erfordert Wärme, Kochen, ein bißchen Aufwand, Gemeinschaft wird eher durch Warmes als durch kaltes essen gefördert.

Mahlzeit als sozialer Akt:
sie macht Beziehungen und Verpflichtungen deutlich, die die Teilnehmer zueinander halten. Eine Tischgemeinschaft ist eine besondere Form der Gemeinschaft. Kein Essen wird dem Zufall überlassen, jede Gesellschaft kennt Regelungen darüber wann man ist, was man zu den einzelnen Gelegenheiten isst, wo man isst, wie Speisen serviert werden, wer kocht, wer an der Mahlzeit teilnimmt.

Eucharistie als sakrale Tischgemeinschaft, bei der Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden. Die Gläubigen werden durch den Akt des Essens Angehörige der sozialen Kirchengemeinde. > Gott und die Gemeinschaft werden über den Körper erfahren (Mittelalter)

Spezielle Mahlzeiten bei rituellen Festen, bei den es Speisen gibt die nur zu diesem Zeitpunkt gegessen werden (Fondue, Geburtstags/Hochzeitstorte) mit speziellem Geschirr, spezieller Menüreihenfolge, feierliche Konzentration auf den Akt des Essens

Ornamentale Küche:
Eis, heiße Liebe, Mischung von hellen und dunklen Sorten (Prinzip Männlich/Weiblich), Anordnung, Pralinen
die ornamentale Küche kommt zum Einsatz, wenn wir eine wichtige Botschaft an andere Personen vermitteln wollen. Sie stellt einen Code bereit, der kollektiv verstanden wird.








Torten als weibliche Speise mit weiblichen Zutaten: Zucker, Mehl, Eier, Fett
werden durch weibliches Zubereitungsverfahren erzeugt (backen), sind weich und ohne Messer zu essen, man braucht sie kaum kauen. Begriffsreihen wie fest, Übergangsritus, lustvolles Schlemmen ist in unserem Bewußtsein weiblich konotiert. Zudem folgen Torten dem Prinzip der ornamentalen Küche: Schichten, Kontraste, üppiges Dekor
stellen auch Gemeinschaft her, sind rund, werden gemeinschaftlich gegessen, signalisieren dass der einzelne in der Gesellschaft einen wichtigen Platz hat, Torten werden für ein Individuum gebacken und sind oft auch individuell: Maripanbotschaften und Namensschilder






selbiges Prinzip bei der Tiernahrung:

Bsp. Sheba, Werbung humanisiert, Katze als Bedeutungsträger von immerwährender Liebe und Treue
Nahrung geben heisst Liebe geben, das Futter wird zur Menschenspeise, die Speise zur Hochküche inszeniert.
In der Werbung Darstellung als Liebesmahl, mit romantischer Musik, Frau und Katze scheinen sich zu küssen, Werbung möchte, das wir eine möglichst emotionale Beziehung zum Produkt aufbauen.

SHEBA


Staatsbankett und Restaurants:
Sitzordnung meist wichtiger als das Essen selbst (wie früher in der Kirche), prestigeordnung durch spezielle Behandlung

Convinience-Produkte: Werbung muss kommunizieren, dass Zeit und Mühe gespart wird, aber die Produkte dennoch liebevoll und verantwortungsbewußt sind.
Außerdem oft Anpreisung mit hochrangigen oder sehr emotionalen Esssituationen. (Dr. oetker-Pizza: Mann und Frau versunken zu italienischer opernmusik, im Sinne eines Liebesmahls)

DR. OETKER RISTORANTE



Werthers Echte und Storck Riesen:
Mit dem Produkt kauft man sich zugleich ein Stückchen liebevolle Welt:
Erinnerung an den Geschmack der Bonbons zu kindlicher Zeit, sowie an die Liebe des Großvaters.

STORCK RIESEN


WERTHERS ECHTE